Legales Parken auf einem Gehweg

Illegales Parken auf einem Gehweg

Behinderung durch Gehwegparken

Vorsätzliches illegales Parken

Verantwortung des Halters

Motorräder und Fahrräder

Machen aber doch alle

Grauzonen

Dieser Text ist ein Ausschnitt aus unserer Broschüre „Parken auf Gehwegen: Problematik, Rechtslage, Handlungsbedarf“. Sie können die gesamte Broschüre als PDF hier herunterladen.

 

Parken auf Gehwegen ist verboten,
      außer es wird explizit erlaubt.
Parken auf Gehwegen ist verboten, außer es wird explizit erlaubt.

Wie im vorangegangenen Kapitel erläutert, räumt der Gesetzgeber dem Gehweg eine besondere Schutzfunktion ein. Das Parken eines Fahrzeugs auf einem Gehweg ist verboten, solange es nicht explizit erlaubt ist. Die Straßenverkehrsordnung sieht hierzu ein eigenes Verkehrszeichen vor: Zeichen 315 („Parken auf Gehwegen“).

An den meisten Stellen, an denen man Fahrzeuge auf einem Gehweg parken sieht, sucht man jedoch das Verkehrszeichen 315 vergeblich. Hier wird auf dem Gehweg geparkt, obwohl die Erlaubnis fehlt.

Für die rechtliche Darstellung müssen wir in diesem Kapitel also unterscheiden zwischen dem zulässigen Parken auf einem Gehweg und dem illegalen Parken, auch wenn es Fußgängern egal sein dürfte, warum ihnen ein Teil ihres Verkehrs-, Aufenthalts- und Schutzraums weggenommen wird.

Das Parken eines Fahrzeugs auf einem Gehweg ist verboten, solange es nicht explizit erlaubt ist.

 

Legales Parken auf einem Gehweg

32 Varianten des Verkehrszeichens
      315
32 Varianten des Verkehrszeichens 315

Damit Parken auf einem Gehweg erlaubt ist, muss die Gehwegfläche von der Straßenverkehrsbehörde explizit zu diesem Zweck freigegeben werden. Im Kapitel „Legales Gehwegparken“ werden wir uns mit den strengen Bedingungen beschäftigen, unter denen ein Gehweg zum Parken freigegeben werden kann.

Aufgrund der Variantenvielfalt
      werden auch falsche Schilder aufgestellt.
Aufgrund der Variantenvielfalt werden auch falsche Schilder aufgestellt.

Hat die Straßenverkehrsbehörde die Eignung eines Gehwegabschnitts zum Parken überprüft und für positiv befunden, so kennzeichnet sie diesen Gehwegabschnitt mit dem Verkehrszeichen 315 („Parken auf Gehwegen“).

Auf dem Verkehrszeichen ist bildlich wiedergegeben, wo und wie auf dem Gehweg geparkt werden darf. Im Wesentlichen gibt es die Varianten „ganz“ und „halb“. „Ganz“ bedeutet, dass Fahrzeuge mit allen vier Rädern komplett auf dem Gehweg parken müssen und die Fahrbahn frei bleibt; „halb“ besagt, dass zwei Räder auf dem Gehweg und zwei Räder auf der Fahrbahn stehen müssen.

Weiterhin wird unterschieden, ob die Fahrzeuge „längs“ oder „quer“ zur Fahrtrichtung parken müssen. Zusätzliche Pfeile im Verkehrszeichen können angeben, ob der Parkbereich an diesem Schild anfängt, aufhört oder fortgesetzt wird. Und dann gibt es noch, insbesondere für die Aufstellung in Einbahnstraßen, von jeder Variante eine rechte und eine linke Version. Insgesamt gibt es 32 Varianten des Verkehrszeichens 315. Die angegebene Aufstellung ist einzuhalten, sonst wird ein Bußgeld erhoben.

Tabelle 1: Bußgelder bei Verstoß gegen die vorgeschriebene Aufstellungsart

Sie parkten auf einem Gehweg entgegen der durch Zeichen 315 vorgeschriebenen Aufstellungsart. 142222 € 10
… mit Behinderung 142223 € 15
… länger als 3 Stunden 142224 € 20
… mit Behinderung 142225 € 30

Wird das Parken auf einem Gehweg mit Verkehrszeichen 315 erlaubt, kann mit Parkflächenmarkierungen1 jener Gehwegbereich verdeutlicht (und beschränkt) werden, für den die Parkerlaubnis gilt. Als Parkflächenmarkierung sind durchgehende Linien möglich, Markierungsknopfreihen oder eine abgesetzte Pflasterlinie. Es reicht auch aus, lediglich die Ecken der Parkfläche zu markieren.2

Falsche Aufstellungsart und
      jenseits der Markierung, also auf dem Gehweg geparkt.
Falsche Aufstellungsart und jenseits der Markierung, also auf dem Gehweg geparkt.

Markierungen für Parkflächen bestehen aus weißen Schmallinien (12 cm).3 Als Parkflächenmarkierung genutzte Pflasterlinien müssen „ausreichend breit sein, in der Regel mindestens 10 cm, und einen deutlichen Kontrast“4 aufweisen.

Parkflächenmarkierungen auf Fahrbahnen oder Gehwegen zeigen beispielsweise die Lage eines reservierten Stellplatzes für schwerbehinderte Menschen an. Beim halbhüftigen Parken zeigen Parkflächenmarkierungen, wie weit Fahrzeuge auf den Gehweg ragen dürfen oder welcher Bereich der Fahrbahn freigehalten werden muss. Sie können auch Anfang und Ende der Parkerlaubnis kennzeichnen.

Parkflächenmarkierungen auf Gehwegen bestimmen die Grenze zwischen Parkerlaubnis und Parkverbot. Wie schon im vorangegangenen Kapitel ausgeführt, ist das Parkverbot auf Gehwegen aufgrund der Schutzfunktion für schwächere Verkehrsteilnehmer absolut. Deshalb ist auch die Grenze von durch Parkflächenmarkierungen zugelassenen Parkplätzen auf einem Gehweg absolut. Kein Teil eines geparkten Fahrzeugs darf in das Parkverbot hineinragen.5

Kein Teil eines geparkten Fahrzeugs darf in das Parkverbot hineinragen.

z.B. VGH München

Parkflächenmarkierungen findet man außer auf Gehwegen auch in verkehrsberuhigten Bereichen oder einfach am Fahrbahnrand. Reicht die Breite einer Parkflächenmarkierung auf der Fahrbahn nicht aus, um ein Fahrzeug komplett innerhalb der Markierung zu parken, darf selbstverständlich nicht der angrenzende Gehweg genutzt werden. Stattdessen muss man sich einen legalen Parkplatz suchen, auf den das Auto passt.

Parkflächenmarkierungen dürfen auf Gehwegen ohne begleitendes Verkehrszeichen 315 („Parken auf Gehwegen“) angebracht werden. Auch in diesem Fall erlauben sie das Parken auf dem Gehweg innerhalb der markierten Fläche. Allerdings ist eine solche Markierung nicht selbsterklärend, weshalb sie laut VwV-StVO lediglich „dort zu erwägen [ist], wo nur wenigen Fahrzeugen das Parken erlaubt werden soll; sonst ist die Anordnung des Zeichens 315 ratsam.“

Typische Gehwegschäden durch zu
      schwere Fahrzeuge
Typische Gehwegschäden durch zu schwere Fahrzeuge

Wenn das Parken auf einem Gehweg erlaubt wird, darf in dem angegebenen Bereich des Gehwegs geparkt werden. Aber nicht von jedem und nicht überall. Verkehrszeichen 315 oder eine einfache Parkflächenmarkierung sind nämlich keine generelle Parkerlaubnis, sondern sprechen gleichzeitig zusätzliche Parkverbote aus.

Eines dieser Verbote betrifft das Gewicht des parkenden Fahrzeugs. Wir hatten im Zusammenhang mit Grundstückszufahrten bereits beschrieben, dass Gehwege baulich nicht dafür ausgelegt sind, schwere Lasten auszuhalten. Aus diesem Grund gibt die Straßenverkehrsordnung ein Maximalgewicht vor für Fahrzeuge, die auf einem freigegebenen Gehweg parken. So soll verhindert werden, dass z.B. ein 40-Tonner auf den Gehweg fährt und alle Gehwegplatten zerstört.

Die Achslast eines LKW lässt
      Gehwegplatten brechen.
Die Achslast eines LKW lässt Gehwegplatten brechen.

Damit nicht jedes Fahrzeug individuell gewogen werden muss, ergibt sich das Verbot aus dem zulässigen Gesamtgewicht des Fahrzeugs. Diese Größe ist in den Fahrzeugpapieren eingetragen und kann in den Datenbanken des Kraftfahrt-Bundesamts nachgeschlagen werden.6

Wenn ausnahmsweise ein Teil eines Gehwegs zum Parken freigegeben wird, so darf dort geparkt werden, wenn das parkende Fahrzeug ein zulässiges Gesamtgewicht von 2,8 t nicht überschreitet.7 Die Gewichtsgrenze ergibt sich aus der baulichen Struktur üblicher Gehwege: Oberfläche und Unterbau. Sie korrespondiert nicht mit der zulassungsrechtlichen Einstufung eines Fahrzeugs als PKW, auch wenn es die bildliche Darstellung auf dem Verkehrszeichen 315 suggeriert.

Wenn ausnahmsweise ein Teil eines Gehwegs zum Parken freigegeben wird, so darf das parkende Fahrzeug ein zulässiges Gesamtgewicht von 2,8 t nicht überschreiten.

StVO

Tabelle 2: Bußgelder beim Überschreiten des zulässigen Gewichts

Sie parkten auf einem Gehweg, der durch Zeichen 315 freigegeben war, obwohl Ihr Fahrzeug mehr als 2,8 t zulässiges Gesamtgewicht hat. 142212 € 10
… mit Behinderung 142213 € 15
… länger als 3 Stunden 142214 € 20
… mit Behinderung 142215 € 30
Sie parkten auf einem Gehweg, der durch Parkflächenmarkierung freigegeben war, obwohl Ihr Fahrzeug mehr als 2,8 t zulässige Gesamtmasse hat. 141042 € 15
… mit Behinderung 141043 € 25
… länger als 1 Stunde 141044 € 25
… mit Behinderung 141045 € 35

Durch die Gewichtsgrenze ausgeschlossen sind natürlich Lastkraftwagen, Omnibusse und größere Lieferwagen. Aber auch Kleinbusse, die als PKW zugelassen sind, oder Wohnmobile überschreiten oft ein zulässiges Gesamtgewicht von 2,8 t.

Auch große SUV wie dieser VW
      Touareg überschreiten die 2,8 t-Grenze.
Auch große SUV wie dieser VW Touareg überschreiten die 2,8 t-Grenze.

Der Trend zu immer größeren und immer schwereren Sport-Geländewagen (SUV) sorgt dafür, dass auch halbwegs „normale“ PKW auf freigegebenen Gehwegen nicht mehr parken dürfen. Beispiele zu schwerer PKW aus der Produktion deutscher Unternehmen sind Audi Q7, BMW X6, Mercedes-Benz GLE, Porsche Cayenne und VW Touareg.8 Aufgrund der schweren Batterien haben SUVs mit Elektroantrieb teilweise schon ein Leergewicht von 2,5 t und liegen im zulässigen Gewicht weit darüber.

Auch große SUV überschreiten die 2,8 t-Grenze.

Auto Club Europa

Obwohl die oben genannten Bußgelder sehr moderat sind, kann das unzulässige Parken mit schweren Fahrzeugen erhebliche finanzielle Folgen nach sich führen. Sollte die Gehwegfläche durch das Fahrzeug zu Schaden gekommen sein, kann der Verursacher für den Ersatz der aufgetretenen Schäden haftbar gemacht werden.

Hydranten im Gehweg benötigt die
      Feuerwehr.
Hydranten im Gehweg benötigt die Feuerwehr.

Neben eventuellen Beschädigungen durch das Gewicht parkender Fahrzeuge erzeugt das zugelassene Parken von Fahrzeugen auf einem Gehweg ein zweites Problem, mit dem sich die Straßenverkehrsordnung beschäftigt: Unter Gehwegen verlaufen üblicherweise Versorgungsleitungen, z.B. für Trinkwasser oder zur Gasversorgung der angrenzenden Häuser.

Solche Versorgungsleitungen sind mit Absperrventilen versehen, die sich normalerweise außerhalb der Gebäude unter dem öffentlichen Gehweg befinden. Im Unglücksfall, z.B. bei einem Rohrbruch oder einem Gasleck, müssen Einsatzkräfte in der Lage sein, diese Absperrventile umgehend zu schließen.

Zusätzlich befinden sich unter dem Gehweg öffentliche Zugangsstellen zur kommunalen Wasserversorgung. Im Brandfall kann die Feuerwehr über solche Hydranten schnell Wasser aus dem vorhandenen Leitungssystem entnehmen.

Beides geht natürlich nicht, wenn die Zugänge zu den Absperrventilen oder Hydranten durch parkende Fahrzeuge blockiert werden. Aus diesem Grund verbietet § 12 Abs. 3 Nr. 4 StVO, dass über „Schachtdeckeln und anderen Verschlüssen“ geparkt wird, auch wenn dort das Gehwegparken erlaubt ist.

Im Gehweg liegen Zugänge zu
      Gas- und Wasserleitungen.
Im Gehweg liegen Zugänge zu Gas- und Wasserleitungen.

Tabelle 3: Bußgelder für das Parken über einem Schachtdeckel

54 Sie parkten auf einem Gehweg, auf dem das Parken erlaubt ist, verbotswidrig über einem Schachtdeckel oder sonstigen Verschluss. 112322 € 10
54.1 … mit Behinderung 112323 € 15
54.2 … länger als 3 Stunden 112324 € 20
54.2.1 … mit Behinderung 112325 € 30

Auch hier gilt wieder, dass die drohenden Bußgelder gering sind. Sollte jedoch ein Gasleck oder ein Brand nicht oder nur verzögert bekämpft werden können, weil ein Fahrzeug den Zugang zum Leitungssystem versperrte, sind wiederum Schadensersatzforderungen gegen den Verursacher denkbar – oder dass die Einsatzkräfte das falsch geparkte Fahrzeug ohne Rücksicht auf Schäden entfernen.

Das Parken auf Gehwegen muss mit dem Verkehrszeichen 315 („Parken auf Gehwegen“), bei einzelnen Stellplätzen eventuell nur durch eine Parkflächenmarkierung, explizit erlaubt werden. Ein abgesenkter Bordstein oder eine abweichende Pflasterung am Fahrbahnrand stellen keine Erlaubnis zum Gehwegparken dar. Lediglich in verkehrsberuhigten Bereichen (Verkehrszeichen 325), in denen es statt Fahrbahnen und Gehwegen nur gemischt genutzte Verkehrsflächen gibt, dürfen Belagwechsel Parkflächen kennzeichnen.

Dies jedoch hält viele Autofahrer nicht davon ab, ihr Fahrzeug trotzdem ganz oder teilweise auf den Gehweg zu stellen. Wir kommen damit zum Thema des unzulässigen, illegalen Parkens auf Gehwegen.

Illegales Parken auf einem Gehweg

Fußgänger können ja einfach auf
      der Fahrbahn laufen.
Fußgänger können ja einfach auf der Fahrbahn laufen.

Überall dort, wo Gehwegparken nicht explizit erlaubt ist, stellt es eine Ordnungswidrigkeit dar. Weil trotzdem immer mehr Fahrzeuge in die Schutzzone der Fußgänger eindringen, wurden durch die StVO-Novelle 2020 die im Bußgeldkatalog genannten Regelsätze für Geldbußen deutlich auf € 55 bis € 100 erhöht.

Tabelle 4: Bußgelder für das Parken auf Gehwegen

52a Unzulässig auf Geh- und Radwegen geparkt 112454 € 55
52a.1 … mit Behinderung 112655 € 70
52a.2 … länger als 1 Stunde 112656 € 70
52a.2.1 … mit Behinderung 112657 € 80
52a.3 … mit Gefährdung   € 80
52a.4 … mit Sachbeschädigung   € 100

Damit nicht genug: Bußgelder ab € 60 haben laut Straßenverkehrsgesetz einen Eintrag im vom Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg geführten Fahreignungsregister (FAER) zur Folge.9 Mit Blick auf diesen Ausschnitt des Bußgeldkatalogs heißt das: Parkt ein Fahrzeugführer länger als eine Stunde auf einem Gehweg, so wird automatisch seine Eignung zum Führen eines Kraftfahrzeugs angezweifelt, und es wird ein „Punkt in Flensburg“ eingetragen.

Dieses Sanktionsniveau wurde mit der StVO-Novelle 2020 auf Wunsch der Verkehrsminister der Länder eingeführt. Der Grundtatbestand soll die Verwarnungsgeldobergrenze von € 55 ausschöpfen, qualifizierte Verstöße (Behinderung, Gefährdung, Dauer) sollen zu einem Punkt im FAER führen.10

Parkt ein Fahrzeugführer länger als eine Stunde auf einem Gehweg, so wird ein „Punkt in Flensburg“ eingetragen.

nach StVG

Auf mit blauen Zeichen
      markierten Gehwegen gelten leicht abweichende
      Bußgeldregeln.
Auf mit blauen Zeichen markierten Gehwegen gelten leicht abweichende Bußgeldregeln.

Wie schon beim Befahren eines Gehwegs beschrieben, ist der Bußgeldkatalog nicht ganz konsequent und weicht von dieser Tabelle ab, falls der Gehweg mit einem der blauen Verkehrszeichen 239 (Gehweg), 240 (gemeinsamer Geh- und Radweg), 241 (getrennter Rad- und Gehweg) oder 242.1 (Beginn einer Fußgängerzone) ausgeschildert ist.

Tabelle 5: Bußgelder für das Parken auf Gehwegen, die zusätzlich mit einem blauen Verkehrszeichen markiert sind

144 Entgegen Zeichen 239 auf einem Gehweg geparkt 141184 € 55
144.1 … mit Behinderung 141785 € 70
144.2 … länger als 3 Stunden 141786 € 70

Beide Teile des Bußgeldkatalogs legen fest, dass für das Parken auf einem Gehweg im Regelfall mindestens ein Bußgeld von € 55 fällig ist. Bei mehr als einer bzw. drei Stunden oder bei Vorliegen einer Behinderung erhöht sich das Regelbußgeld bereits auf € 70 und zieht deshalb auch einen Punkt im Fahreignungsregister nach sich. Gleichzeitig gelten behinderndes oder längeres Parken auf einem Gehweg als rechtlich zulässige Gründe für Abschleppmaßnahmen.11

Fußgängerzonen sind Gehwege.
      Dort ist Parken verboten – auch für Analphabeten.
Fußgängerzonen sind Gehwege. Dort ist Parken verboten – auch für Analphabeten.

Was Autofahrer teilweise noch mehr schmerzt als Bußgeld und Punkte in Flensburg sind teure Schäden am Fahrzeug. Wer illegal auf einem Gehweg parkt, sollte deshalb bedenken, dass Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr mit Rollern und Fahrrädern auf dem Gehweg fahren müssen12 und ihre Kinderfahrzeuge nicht unbedingt perfekt beherrschen.

Im Zusammenhang mit Schadensersatzforderungen für ein dadurch beschädigtes Fahrzeug wurde gerichtlich klargestellt, dass die Risiken eines rechtswidrig abgestellten Fahrzeugs in erster Linie der Parkende zu tragen hat und nicht die übrigen Passanten. Es sei zuzumuten, dass der Autofahrer sein Fahrzeug ordnungsgemäß abstellt. Es sei Dritten hingegen nicht zuzumuten, besondere Rücksicht auf das Fahrzeug zu nehmen.13

Die Risiken eines rechtswidrig abgestellten Fahrzeugs hat der Parkende zu tragen.

AG München

Behinderung durch Gehwegparken

Überall, wo das Gehwegparken nicht explizit erlaubt ist, verstoßen Gehwegparker gegen die Parkvorschriften der Straßenverkehrsordnung. Diese Verstöße haben zur Folge, dass die Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs, wozu auch der Fußgängerverkehr zählt, erheblich behindert werden.13a

Wann liegt eine Behinderung vor, so dass der erhöhte Bußgeldsatz und damit auch der Eintrag ins Fahreignungsregister angesetzt werden muss? Der Rechtsprechung folgend, wird dazu berücksichtigt, welche Funktion ein Gehweg eigentlich haben soll, nämlich den sicheren und ungehinderten Fußverkehr.

Eine Behinderung liegt vor,
      wenn zwei Fußgänger nicht mehr nebeneinander passen.
Eine Behinderung liegt vor, wenn zwei Fußgänger nicht mehr nebeneinander passen.

Das Verwaltungsgericht Köln definiert, „dass eine Funktionsbeeinträchtigung des Fußweges vorliegt, weil auf dem verbleibenden Bereich zwischen Fahrzeug der Klägerin und Mauer ein problemloser Begegnungsverkehr zwischen Fußgängern und Kinderwagen oder Rollstuhl wohl nur noch eingeschränkt möglich gewesen wäre, in keinem Fall aber ein Begegnungsverkehr etwa zwischen zwei Kinderwagen.“14

Das Oberverwaltungsgericht NRW drückt es ähnlich aus: „Um eine Funktionsbeeinträchtigung eines Gehwegs auszuschließen, genügt es nicht, einen schmalen Engpass zu belassen, durch den Rollstuhlfahrer und Personen mit Rollator oder Kinderwagen ‚mit Mühe und Not‘ passieren können. Vielmehr muss auch ein problemloser Begegnungsverkehr unter ihnen und mit Fußgängern möglich bleiben.“15

Um eine Funktionsbeeinträchtigung eines Gehwegs auszuschließen, muss ein problemloser Begegnungsverkehr unter Rollstuhlfahrern und mit Fußgängern möglich bleiben.

OVG NRW

Eine Behinderung liegt also vor, wenn der Gehweg durch das falsch parkende Fahrzeug so eingeschränkt wird, dass ein problemloser Begegnungsverkehr von Fußgängern, Rollstuhlfahrern und Kinderwagen nicht mehr möglich ist. Die konkrete Behinderung eines individuellen Fußgängers ist dabei nicht erforderlich. Es reicht aus, dass der Gehweg in seiner Funktion eingeschränkt ist, weil dadurch der Verkehrsfluss behindert wird und weil sich durch das falsch parkende Fahrzeug eine Behinderung ergeben könnte.

Bestimmte Behinderungen können das Abschleppen des Fahrzeugs rechtfertigen, beispielsweise wenn „Fußgänger, insbesondere Passanten mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrer, aufgrund eines abgestellten Fahrzeugs den Gehweg nicht nutzen“16 können. Das Bundesverwaltungsgericht urteilte schon 1992: „Keinem Zweifel unterliegt andererseits, daß ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Falle der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern geboten erscheint.“17

Fahrzeuge behindern auch, wenn
      sie über die vorgesehene Parkfläche hinausragen.
Fahrzeuge behindern auch, wenn sie über die vorgesehene Parkfläche hinausragen.

Ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Falle der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern erscheint ohne Zweifel geboten.

BVerwG

Der Innensenator von Bremen konkretisiert die Abschleppvorgabe: „Bei einer Unterschreitung von einer Restgehwegbreite von 1,50 m ist davon auszugehen, dass ein Gehweg nicht mehr barrierefrei genutzt werden kann.“18

Auch ohne Behinderung darf ein Gehwegparker abgeschleppt werden, „wenn von dem verbotswidrigen Verhalten eine negative Vorbildwirkung für andere Kraftfahrer ausgehen kann.“18a

Behinderungen des Fußverkehrs kann es sogar geben, wenn das Fahrzeug gar nicht auf dem Gehweg parkt. Besonders bei quer zur Straße eingerichteten Parkplätzen fahren die Fahrzeuge normalerweise in die Parkbucht, bis die Reifen die Bordsteinkante berühren. Damit ragt ein Teil des Fahrzeugs über den Gehweg. Bei Fahrzeugen mit großem Überstand, z.B. Lieferwagen oder Wohnmobilen, kann so ein erheblicher Teil des Gehwegs blockiert und dadurch der Fußverkehr behindert werden.

Im Zusammenhang mit Schadensersatzforderungen für beim „Überhangparken“ beschädigte Fahrzeuge haben Gerichte deutlich gemacht, dass die Bordsteine die eigentliche Parkfläche umschließen und entsprechend ihrer Begrenzungsfunktion nicht zum Überparken geeignet sein müssen.19 Auch beim Querparken endet die Parkfläche also an der Bordsteinkante.

Wenn der Platz vor der Garage
      zum Parken nicht ausreicht, muss man sich ein kürzeres Auto kaufen –
      oder in der Garage
      parken.
Wenn der Platz vor der Garage zum Parken nicht ausreicht, muss man sich ein kürzeres Auto kaufen – oder in der Garage parken.

Quer geparkte Fahrzeuge, die gleichzeitig den Gehweg versperren, findet man auch oft vor privaten Garagen. Statt in der Garage zu parken, wird der Wagen davor abgestellt. Große Fahrzeuge reichen dann bis über den Gehweg und blockieren diesen. Auch dies ist behinderndes Parken auf dem Gehweg.

Vorsätzliches illegales Parken

Liegt eine Behinderung vor oder wird länger als eine Stunde auf einem Gehweg geparkt, so erhöht sich der Bußgeldregelsatz auf € 70. Dann greift zusätzlich § 3 Abs. 4a BkatV.

Danach ist bei Bußgeldern mit einem Regelsatz über € 55 der Betrag zu verdoppeln, wenn „der Tatbestand vorsätzlich verwirklicht“ wurde, der Fahrer also die Regelung kannte und willentlich ignorierte. Parkt jemand mit Vorsatz auf einem Gehweg, indem er beispielsweise mit Absicht einen nicht abgesenkten Bordstein überfährt, steigt bei einer Parkdauer von mehr als einer Stunde oder bei Behinderung das Regelbußgeld auf € 140. Auch bei Bußgeldern bis € 55 kann nach Ziffer 7.1 BT-KAT-OWI das Bußgeld erhöht werden, wenn „der Tatbestand vorsätzlich verwirklicht“ wurde.

Der Bußgeldbetrag ist zu verdoppeln, wenn der Tatbestand vorsätzlich verwirklicht wurde.

BKatV

Wo ein Wille ist, ist auch ein
      … Parkplatz.
Wo ein Wille ist, ist auch ein … Parkplatz.

Ein besonders offensichtliches Beispiel für Vorsatz sind eingeschaltete Warnblinker. Das soll heißen „Komme gleich wieder“, bedeutet aber schlicht „Ich weiß genau, dass ich das nicht darf, mache es aber trotzdem“. Ein vorsätzlicher Verkehrsverstoß ist aber jeder, bei dem bekannte Regeln bewusst ignoriert werden. Jeder Autofahrer hat in der Fahrschule gelernt, dass er auf einem Gehweg nicht parken darf. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat schon 1995 festgestellt, dass „Parken auf dem Gehweg in der Regel nur vorsätzlich begangen werden kann“.20 Vorsatz ist beim Gehwegparken also keine Ausnahme, sondern der Regelfall. Entsprechend sollten Ordnungsbehörden im Regelfall die verdoppelten Bußgelder ansetzen.

Parken auf dem Gehweg kann in der Regel nur vorsätzlich begangen werden.

OLG Düsseldorf

Verantwortung des Halters

Wird im fließenden Verkehr eine Ordnungswidrigkeit begangen, z.B. zu schnell gefahren, telefoniert oder verboten überholt, so ist der Fahrer des Fahrzeugs mit der entsprechenden Geldbuße zu belegen, denn er hat den Verkehrsverstoß begangen.

Im ruhenden Verkehr hat das Fahrzeug keinen Fahrer. Nachträglich herauszufinden, wer das Fahrzeug dort abgestellt hat, ist langwierig und aufwändig. Das Straßenverkehrsgesetz bestimmt deshalb:

„Kann in einem Bußgeldverfahren wegen eines Halt- oder Parkverstoßes der Führer des Kraftfahrzeugs, der den Verstoß begangen hat, nicht vor Eintritt der Verfolgungsverjährung ermittelt werden oder würde seine Ermittlung einen unangemessenen Aufwand erfordern, so werden dem Halter des Kraftfahrzeugs oder seinem Beauftragten die Kosten des Verfahrens auferlegt; er hat dann auch seine Auslagen zu tragen.“ (§ 25a StVG)

Der Aufkleber fragt: Fahrstil
      okay? Fahrstil vielleicht, Parkstil definitiv nicht. Allerdings ist die
      Fahrerermittlung bei Firmenwagen einfach.
Der Aufkleber fragt: Fahrstil okay? Fahrstil vielleicht, Parkstil definitiv nicht. Allerdings ist die Fahrerermittlung bei Firmenwagen einfach, wenn es Fahrtenbücher gibt.

Der Halter muss also die in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten tragen, wenn der Fahrer nicht festgestellt werden kann. Weil diese Kosten aber mit € 20 plus Auslagen (nach § 107 OWiG) unterhalb der eigentlichen Geldbuße liegen, könnten Fahrzeughalter versucht sein, auf diesem Weg die eigentliche Geldbuße für den Parkverstoß oder die damit einhergehende Eintragung im Fahreignungsregister zu umgehen.

Bei Falschparkern auf Privatgelände, z.B. Supermarktparkplätzen, ist die Rechtsprechung schon weiter. Hier gilt für den Halter: „Um seine Fahrereigenschaft wirksam zu bestreiten, muss er vortragen, wer als Nutzer des Fahrzeugs im fraglichen Zeitpunkt in Betracht kommt.“20a

Dass sich ein Halter beim verbotenen Gehwegparken ständig auf Nichtwissen beruft, verhindert § 31a der Straßenverkehrszulassungsordnung21 (StVZO):

„Die nach Landesrecht zuständige Behörde kann gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.“

Wer sich als Halter also darauf beruft, den Fahrer nicht nennen zu können, muss damit rechnen, zukünftig ein Fahrtenbuch führen zu müssen. Die Pflicht, ein Fahrtenbuch zu führen, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Verkehrsverstoß zu einem Eintrag im Fahreignungsregister führen würde, selbst wenn es sich nur um einen Punkt handelt.22

Die zuständige Behörde kann die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

StVZO

Dass die Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen, angemessen ist, beantworten die zuständigen Gerichte eindeutig. So muss der nicht gesühnte Verkehrsverstoß keine konkrete Gefährdung verursacht haben.23 Maßgeblich sei „die zukünftige Gefahrenabwehr unaufklärbarer Verkehrsverstöße“24.

Auch Motorräder dürfen nicht
      auf dem Gehweg parken.
Auch Motorräder dürfen nicht auf dem Gehweg parken.
Dasselbe gilt für Anhänger, selbst wenn wie hier eine
      Laterne als Diebstahlschutz gebraucht wird.
Dasselbe gilt für Anhänger, selbst wenn wie hier eine Laterne als Diebstahlschutz gebraucht wird.

Motorräder und Fahrräder

Das Parkverbot auf Gehwegen gilt absolut und für alle Arten von Fahrzeugen. Dies schließt Motorräder und Anhänger ohne Zugfahrzeug genauso ein wie alle Fahrzeuge, die ein Versicherungskennzeichen tragen müssen.

Bei Fahrrädern herrscht in der Rechtsprechung die Meinung vor, dass ihr Abstellen genauso wie das Abstellen von Mülltonnen zum Gemeingebrauch einer Straße gehöre, solange der Fußverkehr nicht behindert wird.25 Für E-Scooter gelten die gleichen Parkvorschriften wie für Fahrräder.26

Ausnahmegenehmigungen für Ärzte, Handwerker oder Schwerbehinderte wie der europaweite blaue Parkausweis erlauben unter anderem das kostenfreie Parken an Stellen, an denen sonst Parkgebühren anfallen oder Parkhöchstdauerbeschränkungen gelten würden. Auch wenn viele Inhaber es meinen, enthalten solche Genehmigungen üblicherweise jedoch keine Ausnahme vom Parkverbot auf Gehwegen.

Machen aber doch alle

Viele Leser werden sich wundern, dass gegen illegales Gehwegparken in vielen Gemeinden so wenig eingeschritten wurde. Dann darf sich das doch nicht plötzlich ändern.

Es gibt bei Verkehrsordnungswidrigkeiten allerdings kein Gewohnheitsrecht. Auch wenn das Gehwegparken bisher in vielen Gemeinden kaum oder gar nicht geahndet wurde, ergibt sich daraus keine Erlaubnis, die Straßenverkehrsordnung zu ignorieren. Personen, die verkehrsordnungswidrig aufgesetzt parken, können sich nicht auf ein „Gewohnheitsrecht“ des aufgesetzten Gehwegparkens berufen.26a Duldeten Polizei oder Ordnungsbehörden das Parken auf einem Gehweg für einige Zeit, so wurde es dadurch nicht rechtmäßig.27

Das VG Köln stellt klar: „Auch ein jahrelanges Nichteinschreiten gegen straßenverkehrsrechtliche Verstöße begründet keinen Rechtsanspruch darauf, dass dagegen weiterhin nicht eingeschritten wird. Daraus erwächst nämlich kein Vertrauensschutz, der unter Ermessens- bzw. Opportunitätsgrundsätzen zu beachten wäre, weil ein Vertrauen darauf angesichts des sich aus § 12 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 4a StVO ergebenden Verbots, auf Gehwegen zu parken, rechtlich nicht schutzwürdig ist.“28

Personen, die verkehrsordnungswidrig aufgesetzt parken, können sich nicht auf ein „Gewohnheitsrecht“ berufen.

VG Bremen

Grauzonen

Das Parken auf Gehwegen ist durch die Straßenverkehrsordnung überall dort untersagt, wo es nicht explizit erlaubt ist. Jeder Falschparker auf einem Gehweg müsste deshalb mit einem Bußgeld belegt werden.

Nun gibt es aber Situationen, in denen Polizei oder Ordnungsbehörde „Gnade vor Recht“ ergehen lassen dürfen, beispielsweise wenn kurzzeitig (weniger als eine Stunde), nicht-behindernd (Fußgänger-Begegnungsverkehr problemlos) und nur fahrlässig auf dem Gehweg geparkt wird.

Für diesen Zweck regelt § 56 OWiG, dass „geringfügige Ordnungswidrigkeiten“ nicht zwangsläufig in ein Bußgeldverfahren münden müssen. Stattdessen kann der Verursacher auch nur mit einem Verwarnungsgeld zwischen € 5 und € 55 oder sogar ganz ohne Zahlung lediglich verwarnt werden.

Wann eine Ordnungswidrigkeit als geringfügig eingestuft werden kann, ist nicht eindeutig festgelegt. Man kann aber davon ausgehen, dass Verkehrsverstöße, für die kein Verwarnungsgeld mehr ausgesprochen werden kann (über € 55), in jedem Fall aber solche, die zu einem Eintrag im Fahreignungsregister führen, nicht mehr als geringfügig gelten.29 Die „Richtlinie für die Verfolgung und Ahndung von Verkehrsordnungswidrigkeiten“30 des Bayerischen Innenministeriums setzt die Grenze niedriger, nämlich bei einem Ahndungssatz von € 40 laut Tatbestandskatalog. Dann würde schon das einfache, fahrlässige, nicht-behindernde, kurze Parken auf einem Gehweg nicht mehr unter die Geringfügigkeitsgrenze fallen.

Bis zur Überarbeitung der Straßenverkehrsordnung im Jahr 2020 war das illegale Parken auf Gehwegen mit € 15 oder € 20 deutlich preiswerter. Verschiedene Ordnungsbehörden stuften deshalb Verstöße gegen das Gehwegparken grundsätzlich als geringfügig ein, so dass eine Verwarnung ausreichte. Auch berief man sich auf das Opportunitätsprinzip nach § 47 OWiG, welches es dem Ermessen der Behörde und des Behördenmitarbeiters überlässt, ob eine Ordnungswidrigkeit überhaupt verfolgt werden soll.

Sowohl ein Polizist vor Ort, ein Mitarbeiter einer Ordnungsbehörde oder die Behörde als Ganzes hat im Einzelfall das Recht, Ermessensentscheidungen zu treffen. Stehen an einer Stelle drei Fahrzeuge illegal auf dem Gehweg und ein Fahrzeug illegal im Kreuzungsbereich, so unterliegt es dem Ermessen des Verantwortlichen zu entscheiden, welcher Verkehrsverstoß aktuell am wichtigsten ist und welches Fahrzeug beispielsweise abgeschleppt wird.

Eine solche Ermessensentscheidung kann auch dazu führen, dass einzelne Verkehrsverstöße ungesühnt bleiben. Allerdings muss dieses Ermessen nach OWiG „pflichtgemäß“ sein. „Das ist das Auto vom Bürgermeister“ oder „Wo sollen die denn sonst parken“ reichen als Begründung für ein Nichtahnden nicht aus, schon gar nicht dafür, bestimmte Formen des Falschparkens in einzelnen Straßen oder Gebieten gar nicht zu ahnden.

Die Kommunalverwaltung Köln drückt dies so aus: „Diese Ermessensausübung erfolgt nach sachlichen sowie objektiven Kriterien und mein Außendienst ist angewiesen, bei den Kontrollen vor Ort für im vorgenannten Sinne passierbare Gehwege zu sorgen.“31

Das Verkehrsministerium von Baden-Württemberg beschreibt die Rechtslage noch eindeutiger: „Indem der Gesetzgeber einen Bußgeldtatbestand setzt, missbilligt er das beschriebene Verhalten und verlangt als normative Regel grundsätzlich die Ahndung. Auch im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt trotz des Opportunitätsprinzips der Grundsatz, dass gesetzwidrige Taten im Regelfall zu verfolgen sind. Daher bedarf auch nicht das Eingreifen des Amtsträgers einer Begründung, sondern die Nicht-Ahndung braucht als Ausnahme eines zusätzlichen Kriteriums, welches zu dokumentieren ist (Karlsruher Kommentar, 5. Aufl., OWiG-Mitsch, Einleitung Rn. 155, 156).“32

Trotz des Opportunitätsprinzips gilt der Grundsatz, dass gesetzwidrige Taten im Regelfall zu verfolgen sind.

VM BW

Mit der Verschärfung der Bußgelder im Jahr 2021 machte der Gesetzgeber deutlich, dass er trotz Opportunitätsprinzips die Ahndung eines Verstoßes gegen das Verbot des Gehwegparkens verlangt. Wird im Regelfall eine Eintragung im Fahreignungsregister vorgenommen, was beim Überschreiten einer Stunde der Fall ist, so muss die Behörde begründen, warum sie einen solchen Verstoß in diesem Ausnahmefall nicht ahndet.

Insbesondere die früher üblichen Anweisungen, beim Gehwegparken beide Augen zuzudrücken oder eine Restgehwegbreite von 1 m, 1,20 m oder 1,60 m grundsätzlich als ausreichend zu bewerten, sind spätestens seit 2021 durch das Opportunitätsprinzip nicht mehr gedeckt. Im Gegenteil: „Kommunale Dienstanweisungen, die das Gehwegparken grundsätzlich dulden, sofern bestimmte Restgehwegbreiten verbleiben, sind rechtswidrig.“33a

Das Verkehrsministerium von Baden-Württemberg wies bereits am 11.5.2020 in einem Erlass seine Gemeinden an, Falschparken nicht mehr generell zu tolerieren: „Pauschale Vorgaben, bestimmte Ordnungswidrigkeiten (zum Beispiel das Gehwegparken, das auch für Motorräder untersagt ist) nicht zu verfolgen, oder Verkehrsdelikte in bestimmten Gebieten oder auf bestimmten Straßenabschnitte[n] nicht zu ahnden, haben einen Ermessensausfall und damit die Rechtswidrigkeit der Entscheidung zur Folge und stehen mit den Pflichten der Verfolgungsbehörden nicht im Einklang.“33

Nach diesem Erlass sind zwar weiterhin Ermessensentscheidungen erlaubt, auch beim Gehwegparken. Man darf sich aber nicht auf das Opportunitätsprinzip berufen, um das verbotene Parken durch Nichtahndung faktisch zu erlauben und durch die Erklärung, hier oder dort nicht zu verfolgen, Autofahrer zu illegalem Verhalten geradezu zu ermuntern.

Insbesondere ist die Ausübung des Ermessens fehlerhaft, „wenn die Behörde eine Abwägung im Einzelfall gar nicht trifft und in Bereichen außerhalb der Innenstadt rechtswidrige Zustände stillschweigend duldet.“34

Die Ausübung des Ermessens ist fehlerhaft, wenn die Behörde rechtswidrige Zustände stillschweigend duldet.

Petitionsausschuss BW

Das Ermessen darf nicht von sachfremden Erwägungen, z.B. „Gesichtspunkte parteipolitischer, persönlicher oder außerdienstlicher Art“, bestimmt werden.34a Das Einknicken von Kommunen vor dem sogenannten Parkdruck ist eine solche „sachfremde Erwägung“. Pflichtwidrig ist die Ermessensausübung insbesondere dann, wenn sie in anderen Gesetzen verbürgte Rechte verletzt.34b Das ist hier der Fall – ganz besonders bei den Rechten behinderter Menschen, die in der UN-Behindertenrechtskonvention, dem Grundgesetz und den Behindertengleichstellungsgesetzen der Länder fixiert sind. Sie brauchen bestimmte Mindestbreiten, z.B. mindestens 1,50 m, um einen Rollstuhl wenden zu können. Wer Restgehwegbreiten von 1,20 m oder 1,30 m duldet, verletzt ohne jede Ausnahme den Teilhabeanspruch behinderter Menschen.

Auch das Bayerische Oberlandesgericht München legt dem Opportunitätsprinzip klare Grenzen auf und stellt fest, „dass es etwa eine Gleichheit im Unrecht und ein hieraus abgeleiteter Anspruch auf Nichtverfolgung und damit Nichtahndung auch im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht nicht geben kann“.35

Da das Parken auf Gehwegen nicht mehr als geringfügiger Verkehrsverstoß gelten kann, sind die Ordnungsbehörden verpflichtet, diesen Verstößen nachzugehen.

Das Dulden eines parkenden Fahrzeugs auf dem Gehweg sollte auf Einzelfälle beschränkt sein, da bei jedem nicht geahndeten Vergehen mit Nachahmern gerechnet werden muss.

Dieser Text ist ein Ausschnitt aus unserer Broschüre „Parken auf Gehwegen: Problematik, Rechtslage, Handlungsbedarf“. Sie können die gesamte Broschüre als PDF hier herunterladen.

 


1StVO Anlage 2 lfd. Nummer 74

2VwV-StVO zu Anlage 2 lfd. Nummer 74 Parkflächenmarkierungen

3FGSV: „Richtlinien für die Markierung von Straßen“ (RMS)

4analog zu VwV-StVO zu §§ 39 bis 43, IV Abs. 8

5z.B. VGH München, 21.12.2005 - 11 CS 05.1329; VG Berlin, 20.09.2007 - 11 A 884.06; VG Würzburg, 07.11.2012 - W 6 E 12.884

6https://www.kba.de/DE/Themen/Typgenehmigung/CoC_Daten_Fahrzeugtypdaten/Veroeffentlichungen/SV4.html

7StVO Anlage 2, Nummer 74 und Anlage 3, Nummer 10

8ACE Auto Club Europa e.V.: Luxus-SUVs – Zu dick zum Parken, http://www.ace.de/grafiken

9Rechtsgrundlage ist § 28 StVG, https://www.gesetze-im-internet.de/stvg/__28.html, zusammen Anlage 13 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), https://www.gesetze-im-internet.de/fev_2010/

10Bundesratsdrucksache 591/19, Seite 6, https://www.bundesrat.de/drs.html?id=591-19

11Ministerium für Verkehr Baden-Württemberg: „Ruhender Verkehr“, https://vm.baden-wuerttemberg.de/de/service/publikation/did/ruhender-verkehr-hinweispapier-fuer-die-strassenverkehrsbehoerden-bussgeldbehoerden-und-kommunen-in-bad/

12§ 2, Abs. 5 StVO

13AG München, 30.07.2009 - 331 C 5627/09

13aVG Bremen, 11.11.2021 – 5 K 1968/19

14VG Köln, 03.04.2008 - 20 K 4941/07

15OVG NRW, 20.12.2012 - 5 A 2802/11

16VG Neustadt (Weinstraße), 30.06.2017 - 5 K 902/16.NW

17BVerwG, 14.05.1992 – 3 C 3/90

18Senator für Inneres, Bremen: „Erlass für das Abschleppen und Verwahren von Kraftfahrzeugen“, 12.04.2021, https://www.inneres.bremen.de/sixcms/media.php/13/2021%2B03%2B31%2BAbschlepperlass.28709.pdf

18aBVerwG, 20.12.1989 – 7 B 179.89

19BGH, 24.07.2014 - III ZR 550/13

20OLG Düsseldorf, 04.12.1995 - 2 Ss (OWi) 429/95 - (OWi) 97/95 III

20aBGH, 18.12.2019 – XII ZR 13/19

21https://www.gesetze-im-internet.de/stvzo_2012/

22OVG NRW, 29.04.1999 - 8 A 699/97

23BVerwG, 17.05.1995 - 11 C 12/94

24VGH Baden-Württemberg, 18.06.1991 - 10 S 938/91

25z.B. OVG Niedersachsen, 12.03.2009 - 11 LA 172/08; Hamburgisches OVG, 19.06.2009 - 2 Bs 82/09

26§ 11 Abs. 5 Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung (eKFV)

26aVG Bremen, 11.11.2021 – 5 K 1968/19

27OLG Düsseldorf, 10.02.1972 - 1 Ss OWi 1/72

28VG Köln, 13.05.2011 - 18 K 1172/11

29BayObLG München, 06.05.2019 – 201 ObOWi 276/19

30Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, 12.10.2007 - Az. IC4-3603-339-Po (AllMBl. S. 529)

31https://fragdenstaat.de/anfrage/regeln-fur-den-verkehrsdienst-im-ordnungsamt/

32Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr, Ministerium für Verkehr, Baden-Württemberg, 11.05.2020 – Az. 4-38.51.1-00/1527

33Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr, Ministerium für Verkehr, Baden-Württemberg, 11.05.2020 – Az. 4-38.51.1-00/1527

33aHöltig, „Vollzugsdefizite beim illegalen Gehwegparken“, NZV 2022, 220

34Landtag von Baden-Württemberg, Drucksache 16/5059, Bericht des Petitionsausschusses zu Petition 16/878 betr. Parken auf Geh- und Radwegen, https://www.landtag-bw.de/files/live/sites/LTBW/files/dokumente/WP16/Drucksachen/5000/16_5059_D.pdf

34aBGH, 03.12.1998 – 1 StR 240/98

34bHöltig, „Vollzugsdefizite beim illegalen Gehwegparken“, NZV 2022, 220

35BayObLG München, 06.05.2019 – 201 ObOWi 276/19